17.1.05

Willkommen in der Wirklichkeit – Erste Filme für die Perspektive Deutsches Kino ausgewählt

Geschichten aus dem Alltag, Figuren zwischen Resignation, Aggression und Emotion, in Familienkonflikten und Liebesgeschichten. Für die nunmehr vierte Ausgabe der Programmsektion Perspektive Deutsches Kino zeichnet sich bereits jetzt eine Vorliebe junger Filmemacher für die Herausforderungen und Nuancen der deutschen Realität ab. „Die Spannbreite der Themen und Typen in diesen Filmen reicht von Hartz bis Herz. Das, worum es geht, ist immer echt – egal, ob es sich um Geldsorgen handelt oder um Gefühlsausbrüche“, kommentiert Sektionsleiter Alfred Holighaus den Trend der fünf bisher ausgewählten Filme der Reihe.
Gleich zwei Spielfilme stellen die Beziehung zwischen Vater und Sohn in den Mittelpunkt, um sich dann in völlig unterschiedliche Richtungen zu entwickeln. Während in Netto, einem tragikomischen Hochschulfilm von Robert Thalheim an der HFF Potsdam, die Rollen zwischen Erzieher und Erzogenem vorübergehend getauscht werden, sortiert sich in Das Lächeln der Tiefseefische von Till Endemann die Familie durch den Konflikt der Generationen neu.
Von fataler Bindungslosigkeit erzählt Blackout, der 30minütige Spielfilm des Berliner dffb-Studenten Maximilian Erlenwein. Der Gitarrist Tom Schulze zieht als Dr.Jekyll und Mr. Hyde der Berliner Szene durch den Film. Im Rausch wird der sensible Musiker zum brutalen Schläger und zerstört Beziehungen und Biografien – inklusive seiner eigenen.
Zwei Dokumentarfilme, die sich in völlig unterschiedlichen Milieus bewegen, wagen einen besonders intensiven Blick auf das Lebensgefühl und die Lebensumstände junger Menschen in diesem Land. Janine F. von Teresa Renn geht einem Fall nach, der nicht nur in der Berliner Kunstszene vor zwei Jahren für Aufregung und Entsetzen sorgte. Er untersucht den Selbstmord der Künstlerin Janine F. im Berliner Kulturzentrum Tacheles in Form von Gesprächen mit Hinterbliebenen zwischen Schuldbewusstsein und Ignoranz.
Was lebst du? von Bettina Braun erzählt - ebenfalls sehr persönlich – aus der Welt von vier muslimischen Freunden unterschiedlicher Nationalitäten in Köln.

Restaurierter Heaven’s Gate als Special Screening im Forum

Das Internationale Forum des Jungen Films präsentiert als Special Screening die restaurierte ursprüngliche Fassung von Heaven’s Gate. Michael Ciminos monumentaler Anti-Western von 1980 gilt bis heute als der größte finanzielle Flop Hollywoods – und unter Kritikern, vor allem außerhalb der USA, als Meisterwerk. Ergänzend ist die Dokumentation Final Cut: The Making and Unmaking of 'Heaven's Gate' von Michael Epstein als europäische Premiere zu sehen.
Heaven’s Gate erzählt mit legendärer Detailtreue von den brutalen 1890er „Johnson County Wars“, in denen wohlhabende amerikanische Viehzüchter, unterstützt von Regierungsbeamten, europäische Immigranten aus dem Westen der USA vertrieben. Nicht zuletzt aufgrund seiner kritischen historisch-politischen Aussage ist der Film einer der umstrittensten der Geschichte Hollywoods, obwohl er nur selten gesehen wurde. Das Forum zeigt die von MGM/United-Artists-Archivar John Kirk aufwändig restaurierte 225-minütige ursprüngliche Schnittfassung. Nach der New Yorker Uraufführung im November 1980 wurde Heaven’s Gate von der Kritik verrissen, als „unamerikanisch“ gebrandmarkt und verschwand aus den Kinos. Eine von Regisseur Michael Cimino um mehr als eine Stunde gekürzte Fassung lief 1981 im Wettbewerb von Cannes. Das Filmfestival Venedig zeigte 1982 erstmals in Europa die ursprüngliche Fassung. Sie war letztmalig 1983 im Forum der Berlinale zu sehen; zu einem Kinostart dieser Fassung in Europa kam es nicht.
Der Misserfolg des Films bedeutete zusammen mit den auf ca. 100 Millionen US-Dollar angewachsenen Produktionskosten den finanziellen Ruin von United Artists (UA). Das legendäre Studio war 1919 von Charlie Chaplin, Mary Pickford, Douglas Fairbanks und David W. Griffith gegründet wurden.
Was genau ist bei der Produktion von Heaven’s Gate falsch gelaufen? Der Dokumentarfilm Final Cut geht den verschiedenen Theorien auf sehr kurzweilige und unterhaltsame Weise nach. Michael Epsteins Interviewpartner sind unter anderem die Hauptdarsteller Kris Kristofferson und Jeff Bridges, Kameramann Vilmos Zsigmond sowie Steven Bach, der als damaliger Vizepräsident von UA einer der Studioverantwortlichen war und mit seinem Buch „Final Cut: Art, Money, and Ego in the Making of ‚Heaven's Gate’, the Film that Sank United Artists“ die Vorlage zu diesem Film schuf.

Redaktion Filmriss live von der Berlinale 2005

Norddeutsches Bürgermedienprojekt FilmrissAuch in diesem Jahr werden norddeutsche Bürgermedien aus dem Hörfunkbereich unter einer gemeinsamen Redaktion live von der Berlinale berichten. Geplant ist eine tägliche einstündige Sendung die auch im Internet zu hören sein wird - on air über die Frequenzen der teilnehmenden Sender: OK Westküste, OK Oldenburg, Ok Lübeck, OK Hamburg, OK Bremen und das StadtRadio Göttingen. Ausführliche Informationen, Interviews und Kommentare über alle Wettbewerbsfilme sind schon Standard des Projekts, dazu O-Töne von der Stimmung auf der Berlinale, von den Partys. Das Filmfestival in Berlin lebt gerade von der Vielfalt und Unübersichtlichkeit des Programms. Dies hat sich auch nicht unter dem neuen Direktor Dieter Kosslick geändert. Darum werden wir uns selbstverständlich auf Entdeckungstour begeben, z.B. über den Teddy Award für den besten schwul-lesbischen Film berichten, das Forum des jungen Films (dort sind die spannendsten Filme zu sehen) besuchen und vieles mehr. Aktuelle Fotos vom Festival und von der Redaktionsarbeit zeigen wir auf unseren Seiten. Unser Studio befindet sich auch in diesem Jahr in der Nähe des Festivalgeländes: wir sind zu Gast in der schleswig-holsteinischen Landesvertretung.