7.3.06

Konzentration ist alles - "Syriana" - mit George Clooney und Matt Damon

Politik ist ein Puzzle, und wer sich am Gesamtbild versucht, braucht ein bisschen Geduld. So ist auch der Politthriller "Syriana". Ganz wie ein großes Puzzle gibt sich "Syriana" lange rätselhaft. Man hantiert mit vielen verschiedenen Teilchen, die interessant aussehen, aber nicht so interessant, dass man nicht dringend weiterpuzzeln wollte, um endlich zumindest schon einmal die nackten Konturen des Bildes zu erkennen. Bei "Syriana" dauert dies lange, und der Normalzuschauer dürfte den hohen Schwierigkeitsgrad nicht nur als wohltuende Herausforderung betrachten. Eher ein Intelligenztest als ein klassisches Kinoerlebnis, könnte da mancher unken. Im zurückgelehnten, entspannten Popcorn-Modus kann man da auf jeden Fall so manches verschlafen - es sei denn natürlich, es ertrinkt ein kleiner Junge oder jemandem werden in der Folterkammer die Fingernägel herausgerissen. Aber das ist noch nicht die Geschichte. Man muss etwas von großer Politik und Weltwirtschaft verstehen, wenn man bei "Syriana" durchsteigen will. Diese Weltwirtschaft erinnert an eine metallisch kühle, gewaltige, für den empfindenden Menschen einigermaßen monströse Maschine und so sind auch die Menschen, die sie bewegen. Was die Bilder in diesem unterkühlten Kosmos betrifft, arbeitet "Syriana" überwiegend mit einfachen Mitteln. Es geht um einen Blick hinter die Kulissen, nicht nur im Großen, und deshalb sieht man all die Agenten und Strippenzieher hier auch selten in spektakulärer Kulisse oder Pose, es ist ein journalistisch nüchterner Blick, und selbst beim Emir persönlich wirkt alles seltsam unglamourös. "Syriana" zeigt Menschen, Menschen, die miteinander sprechen oder irgendeinen Ort aufsuchen, ganz alltäglich und unscheinbar - allerdings natürlich nicht immer, denn wir befinden uns in der Welt der großen Politik, der großen brutalen Interessenpolitik, der trüben, rohen Welt des "Die-oder-wir", in der Gewissen nicht viel zählt, in der Rivalen bedroht, gequält und notfalls auch ermordet und vernichtet werden, systematisch und mit Methode, versteht sich. Und dann ist da noch der saubere, sonnige Familienvater alias Matt Damon, dem seine zarte und zärtliche Frau beizubringen versucht, dass er viel zu nett ist um da mitzumischen, bis er es, als ihm schließlich alles um die Ohren fliegt, endlich selber merkt. Zumindest aber merkt er, dass sich in einer solchen Welt selbst der, der keine Illusionen zu haben meinte, am Ende zu einem besseren Naivling degradiert sehen kann. Der Film stellt Thesen zu den großen weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Zusammenhängen auf und fühlt sich dabei den Interessen seines Herstellungslandes USA weit weniger verpflichtet, als viele von denen, die er als dessen Repräsentanten in jedem Sinne des Wortes vorführt. Manchen Idealisten wird dies noch weiter von Amerika entfernen. Für eine plumpe antiamerikanische Parteinahme ist sich "Syriana" allerdings dann doch zu schade. Auf jeden Fall wäre sie nicht sehr geschickt umgesetzt, denn viele der abgebrühten Kerle, die in dem Film den Koloss USA lenken, kommen mit Überlegungen zu Wort, die zwar hässlich, aber nicht immer ganz absurd sind. Natürlich, der Begriff des "Terrorismus" wird in "Syriana" auf brisante Weise relativiert und zum propagandistischen Schlagwort erklärt - immer wieder aber wird von den derart Entlarvten oder auch anderen erläutert, was sie zu solcher Doppelbödigkeit treibt. Sie dürfen es dem Publikum gewissermaßen "verklickern", und so könnte der Film sich auf manchen wie eine subtile Initiation auswirken, auch wenn "Syriana" wohl zunächst als ein Schritt hin zu einer größeren Einfühlung in die Perspektive der Gegenspieler Amerikas gedacht sein dürfte. So wird denn auch viel arabisch gesprochen in diesem Film, die fremdartigen Laute werden als Sprache erkennbar, als Verständigungsmittel, und das verringert die Distanz. Wir sollen sogar Mitleid mit Selbstmordattentätern haben, die laut "Syriana" eigentlich nur ein paar kleine Globalisierungsopfer sind, im Grunde liebe Leutchen, die sich aber von der Dampfwalze Big Business derart bedrängt sehen, dass einen eben nichts mehr wundern muss. Und dann ist da natürlich noch der so gut wie gute arabische Prinz, der seinem Land die Demokratie bringen will, aber an Amerika scheitert, weil das laut "Syriana" von Demokratie nichts wissen will, sondern nur von Öl und von Dollars, mit denen man Eigenheime bauen, Studiengebühren bezahlen und Kinder versorgen kann - oder aber eben unvorstellbaren Reichtum erschaffen. Das soll beklommen machen, was durch einen entsprechenden Soundtrack subtil unterstrichen wird. In "Syriana" ist fast nichts und niemand für die Handlung unwichtig. Wer sich z. B. nur auf George Clooney konzentriert, wird vielleicht enttäuscht feststellen, dass er hier kein trivialer Obercharmeur, sondern nur einer von vielen ist, der sich einem ernsthaften Gesamtwerk unterordnet. Sein Lieblingswort in diesem Film ist "kompliziert" - so geht man am besten zweimal rein.
C. Hermann Wolf I.

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